Start » Konzertreihe » CDs » Bach, Dialogkantaten

Johann Sebastian Bach: Dialogkantaten

Johann Sebastian Bach (1685–1750)
Dialogkantaten

Ach Gott, wie manches Herzeleid BWV 58

  1. Choral e Aria: Ach Gott, wie manches Herzeleid (S/B)
  2. Recitativo (B)
  3. Aria: Ich bin vergnügt (S)
  4. Recitativo (S)
  5. Arie: Ich hab für mir ein schwere Reis (S/B)

Liebster Jesu, mein Verlangen BWV 32

  1. Aria: Liebster Jesu, mein Verlangen (S)
  2. Recitativo (B)
  3. Aria: Hier, in meines Vaters Stätte (B)
  4. Recitativo Dialog (S/B)
  5. Duetto: Nun verschwinden alle Plagen (S/B)
  6. Choral: Mein Gott, öffne mir die Pforten

Concerto für Oboe d’amore und Orchester A-Dur BWV 1055R

  1. Allegro
  2. Larghetto
  3. Allegro ma non tanto

Selig ist der Mann BWV 57

  1. Aria: Selig ist der Mann (B)
  2. Recitativo (B)
  3. Aria: Ich wünschte mir den Tod (S)
  4. Recitativo Dialog (S/B)
  5. Aria: Ja, ja, ich kann die Feinde schlagen (B)
  6. Recitativo Dialog (S/B)
  7. Aria: Ich ende behende mein irdisches Leben (S)
  8. Choral: Richte dich, Liebste, nach meinem Gefallen
Hana Blažíková | Sopran
Dominik Wörner | Bass
Kirchheimer BachConsort
Alfredo Bernardini | Oboe und Leitung

CD-Cover: Bach, Dialogkantaten
cpo
555 068-2
EAN: 761203506828
Veröffentlicht: 15.11.2016
Spieldauer: 71:00


REZENSIONEN

Ein rundum schönes Porträt der Arbeit Dominik Wörners mit seinem Kirchheimer Konzertwinter. Es sind echte Könner versammelt, die das schöne Bach-Programm zu einer wirklich hochstehenden Kantaten-Produktion animiert hat.
Die Dialog-Kantaten zweier Vokalsolisten sind bei Johann Sebastian Bach – er selbst bezeichnet sie als ‚Concerto in Dialogo‘ – gewissermaßen eine Gattung in der Gattung: Theologisch sind sie ganz besonders durchwirkt und symbolisch aufgeladen mit dem Bass als Stimme Jesu und dem Sopran als gläubiger, fragender, jedenfalls innig liebender Seele. Diese Konstellation ist auch aus mancher Passions-Komposition der Zeitgenossen Bachs vertraut, in denen die Seele das Moment der Verinnerlichung, der Befragung, auch das der ausgesprochenen Verunsicherung spiegelt – dort freilich eingebettet in einen größeren, dramaturgisch aufgeladenen Kontext. In Bachs Dialog-Kantaten vollzieht sich das eher intim, ist eine Ebene stiller Reflexion angesprochen, eine Sphäre behutsamen geistlichen Argumentierens.
Es erklingen drei Kantaten, die dem weihnachtlichen Festkreis zugeordnet sind: 'Ach Gott, wie manches Herzeleid' BWV 58 für den Sonntag nach Neujahr, 'Liebster Jesu, mein Verlangen' BWV 32 für den ersten Sonntag nach Epiphanias und 'Selig ist der Mann' BWV 57 für den zweiten Weihnachtsfeiertag. Sämtlich sind sie typisch für Bachs subtile Kantatenkunst; mehrere wunderbare Beispiele für die enge, fruchtbare Verbindung von virtuoser Arie und vokalem Choral sind als ästhetische Spezialität dieser Werke hervorzuheben. Neben den mit Oboe gesetzten Kantate erklingt das Konzert für Oboe d‘amore und Orchester BWV 1055R – eine mit guten Gründen erstellte Variante des bekannten Konzerts für solistisches Cembalo und Streicher.
Hohe Kunst
Die personale Verbindung von Kantaten und Konzert ist der famose Oboist Alfredo Bernardini, der Anfang 2015 die musikalische Leitung dieser Einspielung hatte und zugleich solistisch glänzte. Entstanden ist die Aufnahme im Rahmen des vom Bassisten Dominik Wörner vor Jahrzehnten gegründeten Kirchheimer Konzertwinters. Und er brachte eine edle Besetzung zusammen: Hana Blažíková singt den Sopran-Part, Dominik Wörner selbst, Sieger des Bach-Wettbewerbs 2002, singt Bass. Wörner strahlt eine enorme stimmliche Autorität aus, in sehr schön ausgeglichenen Registern, die charakteristisch gefärbt sind. Wie stets besonders positiv ins Gewicht fällt Wörners hochpräzise, dabei vollkommen natürliche Diktion, die schlicht vorbildlich zu nennen ist. Und in der rasanten Arie 'Ja, ja, ich kann die Feinde schlagen' aus BWV 57 zeigt er eindrucksvoll sein virtuoses Potenzial.
In nichts nach steht ihm Hana Blažíková, die ein Gewinn für jede Bach-Platte ist: Sie singt – wie eigentlich immer, jedenfalls aber bei Bach – glanzvoll, auch in diesem für die Rolle der Seele expressiv durchaus abgezirkelten Repertoire. Ihre Stimme ist schlank, elegant und beweglich. Genau wie Dominik Wörner trägt sie zu subtiler Gestaltung der Rezitative bei. Die sind, so durchdacht und tief empfunden gestaltet, sehr viel mehr als nur der Satz zwischen zwei Arien – hier wird geistliches Geschehen auch musikalisch höchst ambitioniert beschleunigt.
Die Instrumente agieren in solistischer Besetzung agil und transparent, gleichzeitig spielfreudig und mit dem Klangbewusstsein des Solisten ebenso wie des Kammermusikers. Phrasiert wird delikat; der Basso continuo artikuliert angenehm knapp, wirkt behände und agil, mit schönem Kern. Die Oberstimmen bieten eine Fülle wunderbar gesanglicher Linien. Neben Alfredo Bernardinis Oboe ist die Violine von Yuki Yamaguchi prägendes Element mit stupendem solistischem Potenzial, mustergültig im Duett 'Nun verschwinden alle Plagen' aus BWV 32 nachzuhören. Schließlich gelingt den Instrumentalisten mit dem Konzert ein echtes Schmuckstück, das Bernardini mit seinem Ton nobilitiert. Das Klangbild ist konzentriert, in charmanter kammermusikalischer Dimension und bringt alle Anteile in ansprechender Balance zur Geltung.
Ein rundum schönes Porträt der Arbeit Dominik Wörners mit seinem Kirchheimer Konzertwinter. Es sind echte Könner versammelt, die das schöne Bach-Programm zu einer wirklich hochstehenden Kantaten-Produktion animiert hat: Sehr gern mehr davon.

Dr. Matthias Lange | klassik.com 12.01.2017